CDs
|
NEUES AUS
DER MUSIKWELT
JAZZ
Audiophile Reissues
Impex und MFSL glänzen mit neuen Vinylscheiben von Miles Davis
• 'fe Davis/E
Shorter am Saxofon und eben Tony
Williams formte Miles ein Quintett,
das endlich dem legendären 50er-
Jahre-Quintett/Sextett mit John
Coltrane ebenbürtig war.
Die Musik ließ mit ihrem moda-
len Konzept, ihrer Unberechenbar-
keit, ihrem großen Atem und einer
bisweilen lyrischen Schönheit alles
Bisherige hinter sich. Impex legt
nun die erste audiophile Pressung
von „E.S.P.“ vor, die von Chris Bell-
man in Bernie Grundmans Studio
von den analogen Masterbändern
mittels röhrenbasierter Elektronik
gemischt und geschnitten worden
ist. Auf Fehlerkorrektur wurde zu-
gunsten der Originaltreue bewusst
verzichtet. Das Ergebnis lässt sich
nur als sensationell beschreiben.
(In diesem Heft berichtet Matthias
Böde übrigens ausführlich von sei-
nem Besuch des Studios in Los An-
geles).
Nicht wenige halten das 60er-
Jahre-Quintett, das bis 1968 sechs
Studioplatten einspielte, für die
beste Formation der Jazzgeschich-
te. Nicht umsonst zählen alle
Bandmitglieder heute zu den Leit-
figuren des Jazz. Keine Frage, Mi-
les hatte ein Gespür für geniale Ta-
lente und eine ausgeprägte Senso-
rik für den Zeitgeist. Fähigkeiten,
die ihm ermöglichten, das Quintett
quasi fließend aufzulösen, respek-
tive zu erweitern - mit neuen jun-
gen Musikern und mit neuen In-
strumenten. Die B-Seite von „Fil-
les De Kilimanjaro“ setzte ein ers-
tes Zeichen, mit „In A Silent Way“
folgte 1969 ein Album, das Schock-
wellen auslöste, deren Amplituden
bis in die heutige Zeit zu verneh-
men sind. Ähnlich wie gut elf Jah-
re zuvor bei der Session für „Kind
Of Blue“ entschlackte Miles das
Material (so auch das Titelstück
von Joe Zawinul) von seinen Akkor-
den. Heraus kam erneut ein melan-
cholisches Meisterwerk, das sich
in Bauch, Herz und Hirn ganzer
Generationen brennen sollte. Den
Profis von Mobile Fidelity Sound
Lab verdanken wir nun eine wun-
derbar frische und transparente,
im Halfspeed-Verfahren geschnit-
tene Scheibe, die die normalen
CBS-Pressungen wie verrausch-
ten Brei klingen lassen.
Mit
„Sketches
Of
S p ain “,
„’Round About Midnight“ und „Mi-
lestones“ bietet MFSL jetzt noch
weitere Miles-Klassiker, Letzterer
übrigens im authentischen Mo-
no. Meine Bitte: „My Funny Valen-
tine“, das sensationelle New Yor-
ker Live-Konzert aus dem Jahr
1964, möglichst bald nachreichen.
Reiner H. Nitschke
M iles Davis: Friday And Sa-
turday Nights - Miles Davis
In Person At The Blackhawk;
E.S.P.
(beide
Im pex/audi-
okron.com);
Sketches
Of
Spain; InASilentW ayj'Round
About Midnight; Milestones
(aile
Colum bia/M oFi,
sie-
veking-sound.de)
Das DR-Logo gibt den Dynamikumfang des Tonträgers an. Nähere Infos unter www.stereo.de
STEREO 7/2014 143
I
ch habe jahrelang geschuftet, da-
mit der Laden so ein Dreckloch
bleibt“, kokettierte der Besitzer
des Blackhawk mit dem Image sei-
nes legendären Jazzklubs in San
Francisco. Ausgerechnet Miles
Davis, der in jener Zeit zu den best-
gekleideten Männern der USA ge-
zählt wurde, wählte dieses Dreck-
loch für seine erste Live-Aufnahme.
„Friday And Saturday Nights - Mi-
les Davis In Person At The Black-
hawk“ enthält einen Zusammen-
schnitt der beiden Konzerte (Ap-
ril 1961), die einen aufgekratzten
Miles zeigen, der jedoch schon
unter
m assiven
gesundheitli-
chen Problemen litt. Wie schon
auf der kurz zuvor eingespielten
„Someday My Prince Will Come“
waren mit Wynton Kelly (Piano),
Paul Chambers (Bass) und Jimmy
Cobb (Schlagzeug) gleich drei
Musiker der epochalen „Kind Of
Blue“ dabei und mit Hank Mob-
ley
ein
Saxofonist,
mit
dem
Miles eher unzufrieden war.
Dass er nach den großartigen
Studioproduktionen
„Kind
Of
Blue“ und „Sketches Of Spain“
lange nach einem neuen überzeu-
genden Konzept und vor allem
auch nach ihn inspirierenden Mu-
sikem suchte, kann man an den
vielen Live-Platten erken-
nen, die in den Jahren 1961
bis 1964 in unterschiedli-
chen Besetzungen einge-
spielt worden sind. Miles
genoss seinen Starruhm auf
den Bühnen Europas und
Amerikas, kämpfte mit sei-
nen Krankheiten und teste-
te unterschiedliche
Besetzungen. Alle Konzerte spiel-
ten auf einem sehr hohen Niveau,
ließen aber noch kein wirklich neu-
es Konzept erkennen. Auch „Black-
hawk“ nicht, das seinen Nimbus
vor allem der Tatsache verdankt,
dass es eben die erste Live-Pro-
duktion war. Sie gehört daher in
jede
ernsthafte
Plattensam m -
lung. Die Neuauflage von Impex
Records bietet einen hervorragen-
den Klang, ein wohl balanciertes
Bühnenbild und eine formidable
Pressqualität.
Im Januar 1965 wagte er sich
schließlich mit dem Quintett ins
Studio, mit dem er auf den Ber-
liner Jazztagen 1964 („Miles In Ber-
lin“) und anschließend in Chicago
(„At Plugged Nickel“) für Furore
gesorgt hatte. Diese Konzerte wa-
ren so etwas wie die Reifeprüfung
einer umwerfenden Truppe, deren
jüngstes Mitglied, der Schlagzeu-
ger Tony Williams, gerade 17 Jahre
zählte. Mit „E.S.P.“ verabschiedete
sich das Quintett von den über Jah-
re hinweg ausgequetschten Klas-
sikern, spielte stattdessen neue
eigene Kompositionen, und schuf
damit eines der großen Meister-
werke des modernen Jazz. Mit dem
23-jährigen Herbie Hancock an den
Tasten, Ron Carter am Bass, Wayne
vorherige seite 143 Stereo 2014-07 lesen sie online nächste seite 145 Stereo 2014-07 lesen sie online Nach hause Text ein/aus